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Der Begriff Singularität bezeichnet in der Meteorologie bestimmte Witterungsregelfälle. Das sind Wetterlagen, die zu bestimmten Zeitabschnitten im Jahr mit hoher Wahrscheinlichkeit auftreten.

Wettervorhersagen haben dank immer besserer Datenerfassung und -verarbeitung mittlerweile eine hohe Eintreffwahrscheinlichkeit erreicht und das immerhin für mehrere Tage. Erst nach dem fünften Tag in der Zukunft sinkt die Zahl zutreffender Prognosen deutlich unter neunzig Prozent, bei etwa zehn Tagen im Voraus liegt derzeit der Zeithorizont einigermaßen verlässlicher Vorhersagen.

Doch seit jeher möchte der Mensch noch viel weiter nach vorne blicken – was bringt der kommende Winter, wie wird der nächste Sommer? Solche Fragen zu beantworten versuchen inzwischen etliche Wetterdienste mit Langfristprognosen, weisen dabei aber stets darauf hin, dass die sich noch im Experimentierstadium befinden und die Trefferquoten nicht übermäßig hoch sind. Außerdem werden dabei nur sehr allgemeine Aussagen hinsichtlich von Temperatur und Niederschlag getroffen, etwa dass der Monat etwas, deutlich oder weit überdurchschnittlich vom Normalwert abweichen wird.

Längerfristige Vorhersage: Ein Muster wiederkehrender Schwingungen

Einen ganz anderen Weg der längerfristigen Witterungsvorhersage entdeckten unsere Vorfahren schon vor Jahrhunderten durch sehr aufmerksame und intensive Beobachtung der Wetterveränderungen im Jahresverlauf. Sie waren dazu auch in besonderer Weise motiviert, denn manchmal hing schlichtweg das Überleben ganzer Gemeinschaften davon ab, ob die Vorzeichen am Himmel richtig erkannt wurden.

Wann war der richtige Zeitpunkt für die Aussaat, wann konnte mit trockener Witterung zur Ernte gerechnet werden? Wie lange hielt eine Schönwetterphase an, drohten frühe oder späte Fröste und wie streng würde der kommende Winter werden? Solche und ähnliche Fragen zumindest ansatzweise zu beantworten gelang nur, wenn man bestimmte Muster im scheinbar so willkürlichen Wettergeschehen erkannte.

Dass diese Muster tatsächlich existieren, hat die meteorologische Wissenschaft seit den 1920 Jahren entdeckt und erforscht, der Fachbegriff dafür lautet „Singularität“. Das sind Wetterlagen, die zu bestimmten Zeiten im Jahr regelmäßig und mit hoher Wahrscheinlichkeit eintreten. Sie führen zu sogenannten „Witterungsregelfällen“, also Wettererscheinungen die einmal im Jahr zu beobachten sind.

Singularitätenkalender für Deutschland und Mitteleuropa

Genau dies war auch unseren Vorfahren schon durch genaue Beobachtung aufgefallen und ihnen verdanken diese immer wiederkehrenden Phänomene auch ihre einprägsamen und heute noch geläufigen Namen. Als Beispiele seien hier nur die „Eisheiligen“, die „Schafskälte“, den „Siebenschläfertag„, die „Hundstage“ oder auch der „Altweibersommer“ genannt. Sie sind alle auch im „Singularitätenkalender“ zu finden, den die Meteorologie angelegt hat und der rund zwei Dutzend solcher Auffälligkeiten enthält.

Nicht jede davon tritt in jedem Jahr auf und auch die Eintreffwahrscheinlichkeit schwankt zwischen knapp 60 und deutlich über 80 Prozent. Dennoch haben diese „Singularitäten“ unseren Vorfahren geholfen, den Wettertrend eines Jahres zu strukturieren und damit auch ein Stück vorhersagbar zu machen. Denn die Regelmäßigkeit ihres Auftretens weist deutlich darauf hin, dass es in unserer Atmosphäre ein Muster von Schwingungen gibt, die sich in fast jedem Jahr in ähnlicher Weise wiederholen. Und nicht nur das, sie stehen auch in Zusammenhang miteinander, so dass das Ausbleiben des einen Ereignisses schon einen Hinweis auf die folgenden geben kann.

Im jetzigen Jahr stellt sich für viele Menschen die Frage, ob Sonnenschein und Wärme, die nun schon seit Wochen unser Wetter dominieren, auch im September vorherrschen werden. Dieser Monat September hat zwei typische Witterungsregelfälle, den „Spätsommer“ in den ersten Monatstagen und den „Altweibersommer“ am Ende. Wobei sich dieser heute leicht als diskriminierend empfundene Name eigentlich aus dem mittelhochdeutschen „weibern“ für „weben“ ableitet. Zu dieser Zeit fliegen nämlich besonders viele Spinnfäden in der Luft, die von Jungspinnen gewoben werden, die sich damit dann vom Wind forttragen lassen.

Statistische Untersuchungen haben ergeben, dass ein deutlicher Zusammenhang zwischen dem Auftreten des „Spätsommers“ und des „Altweibersommers“ besteht: Nach einer ausgeprägt sonnigen und warmen Phase zum Start in den September, tritt in gut zwei von drei Fällen eine ebensolche Periode zum Monatsende auf. Die Monatsmitte wird dann dagegen oft von wechselhafterem und kühlerem Wetter dominiert. So wird sich dank des Singularitätenkalendes wahrscheinlich schon bald erkennen lassen, mit welcher Witterung wir in den ersten Herbstmonat starten werden.



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